Ist der Mensch nur das Ergebnis der Evolution?

■ In der letzten Ausgabe unserer Zeitschrift (“Beiträge”/115, S. 19-27) haben wir den Artikel “Die Kirche und der Urknall - Ein Widerspruch?” veröffentlicht, der dann auch mit entsprechenden Zitaten von Papst Pius XII. ergänzt wurde. Darin wurde die Entstehung und der Inhalt der modernen Urknall-Theorie dargelegt, wobei ersichtlich wurde, dass sie entgegen der landläufig nicht selten anzutreffenden Behauptungen so mancher Atheisten überhaupt nicht im Widerspruch zum christlichen Glauben von der Schöpfung des Weltalls durch Gott steht. Es ließ sich im Gegenteil zeigen, dass diese Urknall-Theorie sich letztendlich erst durch die Annahme eines Schöpfergottes als der Quelle und des Ursprungs des ganzen gewaltigen Prozesses erklären lässt.
Nun richteten wir unser Augenmerk bisher ausschließlich auf die Frage nach der Entstehung von Energie und Materie im Weltall - es ging um die physikalische Komponente des Universums. Aber es gibt ja auch noch eine andere wichtige Seite der Schöpfung, die uns, Menschen, eigentlich noch mehr angeht und interessiert, die Frage nach der Entstehung des Menschen als eines Geistwesens nämlich! Zwar kann man auch die Entstehung des biologischen Lebens auf unserem Planeten leicht mit der Urknall-Theorie in Verbindung bringen - es sei alles von Anfang an so grundgelegt worden, dass es sich dann irgendwann entsprechend weiter entwickelt hat.
Aber der Mensch mit seinem freien Willen und der moralischen Urteilskraft stellt da eine ganz neue Realität bzw. inhaltliche Qualität dar, die nicht einfach so mit der Materie in Verbindung gebracht und dadurch erklärt werden kann. Denn der Mensch unterscheidet sich ja nicht nur von der toten Materie, sondern auch von allen anderen Lebewesen (Tieren und Pflanzen) dadurch, dass er einen freien Willen hat, der ihm in Verbindung mit der ihm eigenen bzw. für ihn charakteristischen moralischen Urteilskraft ermöglicht, nach sittlichen Kriterien zwischen Gut und Böse, Richtig und Falsch zu unterscheiden.
Und das kann kein noch so hoch entwickeltes Tier, das ausschließlich nur von Trieben gelenkt und von (teilweise komplizierten) Instinkten geleitet wird. Wir, Menschen, unterstellen den Tieren bisweilen bestimmte moralisch positive oder negative Verhaltensweisen, weil wir sie von uns her so kennen und uns darin geistig bewegen. Nur handelt z.B. weder ein Löwe oder ein Wolf moralisch böse, weil er irgendein anderes Tier reißt oder im schlimmsten Fall sogar einen Menschen tötet, noch besitzt ein Delfin einen guten Willen, wenn er bisweilen einem Menschen in Seenot hilft und sein Leben rettet. Auch der eigene Hund, sollte er sogar unter Einsatz seines Lebens sein Herrchen vor irgendeinem Raubtier schützen, handelt da nicht aufgrund moralischer Überlegungen, sondern wegen der ihm jeweils angeborenen Instinkte. Selbstverständlich ist z.B. jeder Hund wegen der Verschiedenheit seines generellen Wesens bzw. des eigenen Charakters und in Abhängigkeit von der Dressur durch die Menschen und der Bindung an ihn mehr oder weniger “mutig”. Dennoch ist allen Tieren ein sittlich relevantes Denken fern, auch wenn wir es der Tierwelt bisweilen gern unterstellen.
■ Die heute gängige und in Schulbüchern anzutreffende Erklärung für die Entstehung des Menschen besagt, dass - so in etwa - zuerst im Wasser eine biologische Zelle entstanden sei. Dann hätten sich daraus komplexere Organismen entwickelt, wovon einige sich an die Bedingungen auf dem trockenen Land angepasst hätten. Im Lauf der Zeit seien dann daraus jeweils höher entwickelte Organismen entstanden, die dann über niedrig entwickelte Tiere zu intelligenzmäßig jeweils höher entwickelten Tieren führten. Und schlussendlich habe sich der heutige Mensch zusammen mit dem Affen aus gemeinsamen Vorfahren entwickelt, mit dem er ja biologisch sehr verwandt ist. Und dieser letztere Umstand dient dann heutzutage nicht wenigen als eine Art Beweis dafür, dass der Mensch das Endprodukt dieser Evolutionskette sei, die absolut nichts mit irgendeinem Schöpfergott zu tun habe.
Gut, es widerspricht nicht unbedingt dem Schöpfungsglauben der Kirche, dass sich der biologische Körper des Menschen im Laufe der Zeit jeweils weiter entwickelt habe und über die jeweiligen Stufen der “Vormenschen” schlussendlich zum heutigen so genannten homo sapiens gekommen sei. Wie sich ja wohl auch die physikalische Materie im Laufe von sehr langen Zeitperioden erst zu dem entwickelt haben könnte, wie das Weltall und unser Heimatplanet Erde heute sind, so könnte wohl auch der menschliche Körper eine ähnliche Entwicklung genommen haben. Das betrifft dann aber nur die eine, rein biologische Seite des menschlichen Wesens.
Nun stimmen wir aber wohl alle darin überein, dass das, was den Menschen ganz spezifisch zum Menschen macht, was wir dann auch wie selbstverständlich unter dieser Bezeichnung “Mensch” verstehen, nicht seine rein biologische Hülle ist, sondern sein Geist, der seine Persönlichkeit ausmacht und sowohl eine an sich freie Willenskraft als auch ein Denkvermögen beinhaltet, welches eine moralische Komponente hat. Und erst diese spezifischen Elemente des menschlichen Wesens machen den Menschen eben zum Menschen - im klaren Unterschied zum Tier!
Wer von uns wäre denn nicht zutiefst gekränkt und beleidigt - und zwar völlig zurecht! -, wenn man ihn lediglich als einen physikalisch-biologischen Körper ansehen und wie eine Sache behandeln würde? Bei unseren Gerichten sind ja genug juristische Fälle anhängig, in welchen es um Beleidigungen verschiedener Art geht, die es so überhaupt nicht geben dürfte, wenn der Mensch kein Geistwesen bzw. keine Person, sondern nur ein (wenn auch hochentwickeltes) Tier wäre! Denn ein Tier als solches besitzt keine Persönlichkeit, weil es eben die Fähigkeit vermisst, seiner selbst bewusst zu sein!
So ist es doch für uns an sich selbstverständlich, dass wir den anderen Menschen in erster Linie als Personen begegnen, die sich ja gerade dadurch von der übrigen Schöpfung unterscheiden, dass sie sich sowohl selbst als Personen mit freiem eigenem Willen auffassen, als auch die anderen Menschen als analoge Personen erkennen. Kein noch so hoch entwickeltes und intelligentes Tier besitzt diese Fähigkeit!
■ Denn wenn jemand den Menschen lediglich als ein höher entwickeltes Tier betrachten und dann auch entsprechend konsequent behandeln wollte (als ob es ihm wie den Tieren nur um die animalischen Grundbedürfnisse wie das Fressen und die Fortpflanzung ginge), würde er allein schon solche wunderbaren Seiten des Menschseins übersehen bzw. auch für sich persönlich bedauerlicherweise nicht entdecken können, wie sie sich uns z.B. in der Ästhetik, Kunst oder Musik offenbaren! Denn allein schon die Fähigkeit des Menschen, diese Welten des Schönen und Sinnvollen für sich zu entdecken (was die Tierwelt so überhaupt nicht kann!) und in Freiheit schöpferisch zu gestalten, zeigt überdeutlich, dass er seinem Grundwesen nach wesentlich mehr ist als nur ein hochentwickeltes Tier! Wer das nicht sehen bzw. sich dessen nicht bewusst sein sollte, dessen Leben ist arm, der ist schlicht und ergreifend zutiefst zu bedauern.
Nun besitzt der Mensch seinem Wesen nach auch noch eine viel höhere Fähigkeit als “nur” Kunst und Ästhetik, und zwar das oben bereits genannte Vermögen, die sittlichen Werte von Gut und Böse zu erkennen und als solche in der eigenen moralischen Beurteilung zu bejahen oder abzulehnen - die sittliche Urteilskraft! Gut, auch wenn man den heutigen atheistischen und sich auf Charles Darwin berufenden Evolutionstheoretikern zugestehen würde, dass der Mensch sich seiner körperlich-biologischen Hülle nach letztendlich vom Affen entwickelt habe (was an sich noch nicht dem christlichen Schöpfungsglauben widersprechen würde), kann der menschliche Geist, sozusagen seine Seele, immer noch nicht aus toter Materie oder aus einem biologischen Organismus entstanden sein!
Dass sich der Mensch seinem geistigen Wesen nach substanziell von Affen unterscheidet, erkennt man u.a. auch daran, dass es bei uns, Menschen, letztendlich überhaupt nicht auf die menschliche Rasse ankommt, der wir jeweils zugehören. Es gibt von der Intelligenz und der geistigen Fähigkeit an sich her grundsätzlich keine qualitativen Unterschiede zwischen den verschiedenen menschlichen Rassen! Zwar sind auch heute noch in manchen Ecken der Erde sogenannte “primitive Völker” anzutreffen. Nur sind auch sie voll und ganz Menschen - mit denselben grundsätzlichen geistigen Fähigkeiten, die auch sie wesentlich etwa von Affen unterscheiden!
Ebenfalls interessant in diesem Zusammenhang ist auch das Phänomen, dass es praktisch bei allen Völkern und Kulturen so etwas wie Religion gibt - nur nie bei Affen geschweige denn bei anderen Tierarten! Das bedeutet, dass der Mensch, seinem Wesen nach für eine höhere und übernatürliche Welt geöffnet ist, in der es um qualitativ wesentlich mehr geht als nur um den Fress-, Überlebens- und Sexualtrieb - im klaren Unterschied zum Tier! Zwar mögen nicht wenige Tierarten sogar auch ein soziales Gefüge in ihrer Herde besitzen und pflegen - so etwas wie Religion bzw. ein Grundempfinden für Wahrheit und das sittlich Gute kann man bei ihnen vergebens suchen. Aber gerade dieses Selbstbewusstsein des Menschen und sein essentielles Geöffnetsein für die Übernatur, die absolute Wahrheit und sittlich relevante Werte macht ja den Menschen als einen solchen aus!
Es ist unbestreitbar, dass die geistige Leistung eines Menschen u.a. auch von seiner physischen Verfassung abhängt. Am deutlichsten macht sich dies im Fall einer etwaigen schweren Hirnverletzung oder der Einnahme von bewusstseinsverändernden Drogen oder Psychopharmaka bemerkbar. Ja, es soll nicht widersprochen werden, dass die physische Verfassung bzw. das Entwicklungsstadium des Gehirns insofern im direkten Zusammenhang mit seiner geistigen Leistung steht bzw. diese beeinflusst und unter Umständen sogar verhindert.
Dennoch ist es abwegig, etwa zu behaupten, das Gehirn (als biologische Masse) würde denken (können)! Aus Materie kann grundsätzlich kein Geist hervorgehen geschweige denn eine Willensfreiheit entstehen, wie auch der menschliche Geist als solcher insofern keine Materie hervorrufen kann, dass er sie etwa aus sich oder aus nichts nach der Art eines schöpferischen Aktes schaffen würde. Die geistige und physisch-materielle Welten existieren teilweise nebeneinander, partizipieren teilweise miteinander, besitzen aber nie einen ursächlichen Einfluss aufeinander, als ob sie sich wie auch immer schöpferisch ins Dasein rufen könnten! Der menschliche Geist ist da autonom und kann in Bezug auf seine Entstehung nicht mit der Materie in Zusammenhang gebracht werden.
Denn wenn es so wäre, dass der menschliche Geist nur ein Produkt der Evolution bzw. der Entwicklung des menschlichen Gehirns sei, dann könnte man fragen, warum denn die heutige in vielen Gebieten so hoch entwickelte Naturwissenschaft und Industrie es nicht fertig bringt, etwa einen Affen so zu trainieren oder medikamentös zu behandeln, dass er plötzlich zum Menschen wird. Ja, man wird wohl irgendwann in baldiger Zukunft Roboter schaffen, die eine vermeintlich hohe “Intelligenz” besitzen und menschenähnliche Tätigkeiten ausüben werden. Aber sie werden immer noch Maschinen bleiben, die vom menschlichen Geist erfunden und kreiert wurden.
Und man wird weder aus ihnen noch aus etwa den Orang-Utan-Affen jemals Menschen mit Selbstbewusstsein und freiem Willen schaffen können! Denn der Geist als solcher ist eine solche qualitative Daseinsebene, die ihrem Wesen nach gänzlich unabhängig von der Materie ist und somit ihr auch nicht ihre Entstehung als solche verdanken kann. Sehr wohl ist der Geist bei uns, Menschen, an eine Physis, den Körper, gebunden - so gehen wir durch das ganze Leben hier auf Erden und können uns davon auch nicht trennen. Dennoch ist der Geist als solcher, und somit auch wir als Geistwesen, sozusagen autark und somit keinesfalls das Ergebnis der evolutionären Entwicklung des Körpers bzw. der materiellen Welt.
■ Diese grundsätzliche Erkenntnis lenkt unsere Aufmerksamkeit dann auf die nun logische Schlussfolgerung, dass die Entstehung des menschlichen Geistes eine andere, außer-materielle bzw. außer-biologische Ursache haben muss. Denn wenn unser Geist, sozusagen wir als Seele und Person, unser Dasein eben nicht einer bloß physisch oder chemisch gedachten Evolution verdanken (können), dann muss es wohl auch eine entsprechende sogenannte geistige Ursache für unser Entstehen als Geistwesen geben. Somit muss sich auch ein sogenannter “Evolutionsapostel” wohl oder übel die Frage stellen, ob es denn vielleicht nicht doch stimmen könnte, dass ein anderes, geistiges und den menschlichen Geist wie auch immer überragendes Wesen die Ursache für unsere Existenz wäre.
Das christlich-katholische Glaubensdogma lehrt, dass Gott als vollkommener Geist und absoluter sittlicher Wille neben der sonstigen sichtbaren wie unsichtbaren Welt auch den Menschen ins Dasein gerufen und ihm eine lebendige Seele eingehaucht hat, sprich ihn zu dem erschaffen hat, was ihn dann u.a. auch von einem Tier wesentlich unterscheidet. “Da bildete Gott der Herr den Menschen aus dem Staub der Erde und hauchte ihm den Odem des Lebens ins Angesicht. So wurde der Mensch zu einem lebenden Wesen.” (Gen 2,6f.)
Diese Sicht der Dinge wird heutzutage von vielen belächelt und als eine Art Märchen abgetan. Dabei gibt es in der Menschheitsgeschichte ein bestimmtes Phänomen, welches diese Glaubenshaltung sehr wohl unterstützt. Es sind nämlich schon etliche Fälle bekannt geworden, in welchen kleine Kinder teilweise sogar im Säuglingsalter, d.h. in jedem Fall vor Erlangung des Bewusstseins, der menschlichen Gesellschaft entrissen und bei Tieren in der Wildnis aufgewachsen sind. Und als man sie dann fand, stellte man fest, dass sich ihr Verhalten sehr deutlich bis sehr markant von dem der übrigen Menschen unterschied. Weil viele dieser Kinder von Wölfen gestillt und/oder aufgezogen worden sind, nennt man sie leicht verallgemeinernd “Wolfskinder”.
Praktisch alle dieser Kinder haben nicht zu sprechen gelernt. Manche von ihnen haben dann, als sie nämlich wieder zurück in die menschliche Gesellschaft gekommen sind und man sich ihrer mit sehr viel Geduld angenommen hat, doch etwas zu sprechen gelernt, aber auch da nur rudimentär. Manche haben dann zeitlebens nicht gesprochen und blieben generell stumm. Manche Erwachsene, die allein in die Wildnis kamen und die menschliche Gesellschaft gänzlich entbehren mussten, haben dann auch ihre Fähigkeit zu sprechen verloren.
“In der Tat passiert etwas Grundsätzliches in einem Menschen, wenn er außerhalb der menschlichen Gesellschaft lebt. Er verwildert zusehends - und zwar schneller, als man es vielleicht für möglich hält. Finnische Nationalgardisten werden angehalten, bei der Suche nach vermissten Kindern, die sich im Wald verirrt haben, äußerst behutsam vorzugehen: Verängstigte Kinder geraten nämlich schnell unter Schock, antworten oft nicht, wenn man sie ruft, und flüchten immer tiefer in den Wald - womöglich der erste Schritt in die Verwilderung. Auch Erwachsene kann ein derartiges Schicksal heimsuchen. Anfang des 18. Jahrhunderts verbrachte der schottische Matrose Alexander Selkirk etwa vier Jahre auf einer menschenleeren Insel nahe der Küste Chiles. Als man ihn entdeckte, war er kaum mehr der Sprache mächtig und überaus menschenscheu. Selkirks Schicksal diente als Vorlage für das Buch ‘Robinson Crusoe’.
Eines steht jedenfalls fest: Je früher ein Mensch von seinesgleichen getrennt wird, umso sonderbarer wird er. Es reicht nicht zu sagen, dass er nur die Gepflogenheiten seiner Art nicht kennen gelernt hat - sein ganzer Habitus und seine ganze Sinnesempfindung unterscheiden ihn von unsereins. Und daraus müssen wir die Folgerung ziehen, dass manche Eigenschaften unserer Spezies, die wir für angeboren halten, in Wahrheit angelernt sind. Empirische Beispiele belegen, dass verwilderte und ‘normale’ Menschen in sehr unterschiedlichen Welten leben.” 1
Ja, der Mensch ist ein zutiefst soziales Wesen! Wir brauchen andere Menschen, um uns sozusagen normal entwickeln zu können. Wir wachsen auf und leben in den Grundzellen bzw. -gemeinschaften der Familie, Sippe, Volk, Staat, Kirche - diese sozialen Kontakte sind für uns offensichtlich ebenfalls von essentieller Bedeutung für unsere günstige Entwicklung und ein erfülltes Leben.
Und wie die angesprochenen Beispiele von “Wolfskindern” zeigen, brauchen besonders die Kinder das sogenannte Angesprochen-Werden durch ihre Eltern und andere Erwachsene, damit deren ganzheitliche günstige Entwicklung als Mensch eingeleitet werden kann. Und man weiß ja zur Genüge: je mehr Liebe und Zuneigung ein Kind seitens seiner Mutter und seines Vaters erhält, desto glücklicher und ausgeglichener wächst es auf bzw. entwickelt sich! Es ist wohl doch kein reiner Zufall, dass jene Kinder, die besonders in ihrer Kindheit keine entsprechende Liebe und Zuneigung (in erster Linie seitens ihrer Eltern!) erfahren haben, deutliche negative Folgen für ihr weiteres Leben davontragen.
“So muss man wohl festhalten, dass ein Mensch, der unter Tieren oder in der Isolation verwildert, ein sehr reduziertes Wesen ist und bleibt. Letztlich wird er sich stets eher tierähnlich als menschenähnlich gebärden. Seine Sinne sind wie beim Tier aufs Überleben geschärft, seine intellektuellen Fähigkeiten und sein Sprachvermögen entwickeln sich nicht. Und auch seine Triebwelt ist verändert. Gewissermaßen ist er auf einen einzigen Trieb reduziert: aufs Essen. Und der Geschlechtstrieb? So erstaunlich es klingen mag: Das Geschlechtliche schlummert ebenso wie die Sprache, wenn es nicht durch Kontakt mit anderen Menschen erweckt wird.”2 Selbstverständlich sind sowohl diese "Wolfskinder" als auch geistige Behinderte Menschen, keine Tiere! Auch der behinderte, demente oder auch nur schlafende Mensch ist ein Geistwesen, der als Ebenbild Gottes zu achten und zur ewigen Gemeinschaft mit Gott und von Gott berufen ist, selbst wenn seine Vernunft nicht in ihrem vollen Zustand aktiviert ist! Der Mensch wird nicht etwa durch seine Mitmenschen "geschaffen" - jeder von uns ist von Gott als ein Geistwesen erschaffen worden! Allerdings zeigt uns das Beispiel der "Wolfskinder", dass der Mensch unbedingt die geistige Anregung durch andere Geistwesen braucht, um seine ihm von Gott mit der Empfängnis im Mutterleib und der Geburt gegebenen geistigen Fähigkeiten richtig zur Entfaltung zu bringen.
Wenn also jeder Mensch vor allem als kleines Kind offensichtlich das Angesprochen-Werden durch andere Menschen (und eben nicht Tiere!) braucht, damit sowohl sein Intellekt als auch sein auf Sittlichkeit ausgerichteter Wille (und somit schlussendlich seine Persönlichkeit) sich richtig entwickeln, dann stellt sich die Frage, wer denn den ersten Menschen in dieser ganzen Kette “angesprochen” hat. Denn irgendwann muss es ja auch diesen ersten Menschen (Adam und Eva) gegeben haben, der sich dann halt ebenfalls nicht selbst hat “ansprechen” können. (Wollte jemand auf diese Frage nach dem Wer auf die Evolution verweisen, würde er praktisch nur die Beantwortung dieser wichtigen Frage verweigern.)
So sagt ja der biblische Schöpfungsglaube, dass Gott neben dem gesamten Weltall sowohl den Menschen erschaffen als auch ihm eine lebendige Seele eingehaucht hat, damit dieser - nach dem Ebenbild Gottes erschaffen - Ihn erkennen und Seinen heiligen Willen befolgen könne. Wie sehr stimmt unser gerade entwickelte Gedankengang mit dieser Glaubensaussage überein!
Es ist im Sinne des biblischen Schöpfungsberichts nicht entscheidend, zu welcher genaueren Zeit der Mensch seiner äußeren Hülle nach entstanden ist. Ebenfalls ist es relativ zweitrangig, ob dem Menschen dann zeitlich gesehen sofort die Seele eingehaucht wurde. Wichtig ist, dass es in der Schöpfung, die auf Gott als den Schöpfer zurückgeht, solche Wesen gibt, die in ihrem Geist-sein ein Ebenbild Gottes sind und somit auch zur Verantwortung über ihr Handeln berufen sind!
Somit erweist sich auch in der Hinsicht auf die Entstehung des Menschen als eines Geistwesens die betreffende Glaubensaussage der katholischen Kirche als wohlbegründet und als klar einsehbare, aber auch notwendige Ergänzung zu den Aussagen der naturwissenschaftlichen Forschung!

P. Eugen Rissling

1 www.pm-magazin.de/wolfskinder-schicksale-an-der-grenze-zwischen-mensch-und-tier

2 ebd.

 

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